Heute will ich einen ganz dicken Buchtipp aussprechen. Es geht um „Beim Griechen“ von Alexandros Stefanidis, das beim Fischer Verlag erschienen ist. In diesem herrlichen, pointierten und gut lesbaren Werk schildert der Autor, in Karlsruhe als Sohn eines griechischen Gastarbeiter-Paares geboren, die Geschichte seiner Familie seit deren Ankunft in Deutschland im Jahr 1963. Und zwar nicht einfach so, sondern aus der Sicht der griechischen Taverne, die seine Eltern 1970 eröffneten, und die sich im Karlsruher bzw. badischen Raum schnell zum Kultrestaurant entwickelte.
Im Zentrum steht dabei Stefanidis’ Vater Christoforos, der als erster nach Deutschland kam und später zusammen mit seiner Frau Maria die Taverne eröffnete. Christo, wie er genannt wird, muss früh erfahren, dass Gastarbeiter in Deutschland schon in 1960ern als lästiges Übel empfunden werden und vor allem von Behörden mit fast schon menschenverachtender Herablassung behandelt werden. Trotz aller Widerstände, kaltherziger Vermieter und eines Arbeitsunfalls, der den Verlust mehrerer Fingerkuppen zur Folge hat, eröffnet Christo mit seiner Frau die Taverne „El Greco“. Diese entwickelt sich im ohnehin griechenlandfreundlichen Deutschland der 70er Jahre schnell zum Geheimtipp. Dazu trägt auch die Art bei, in der die Stefanidis ihre Gaststätte führen. Vater Christo behandelte jeden Gast wie seinen Freund, hörte sich seine Lebensgeschichte und seine Sorgen und Nöte an, trank mit ihnen Ouzo oder Metaxa und diskutierte natürlich über Politik.
In „Beim Griechen“ erfährt der Leser nicht nur etwas über das Klima, in dem sich Ausländer in Deutschland zurecht finden müssen – er kriegt auch eine brilliante Lektion in Deutscher Zeitgeschichte. Eher beiläufig schildert der Autor etwa, wie sich im Januar 1980 die Gründungsmitglieder der „Grünen“ in Cordhose und Turnschuhen in der Taverne trafen, um die Gründung ihrer Partei zu feiern. Oder wie Gregor Gysi 1992 vorbeischaute und sich eine kalte Vorspeisenplatte servieren ließ. Oder wie sich selbst alte Stammgäste und Freunde von Christo von der fremdenfeindlichen Stimmung der frühen 1990er Jahre anstecken ließen.
Alexandros Stefanidis, der jüngste von drei Söhnen des tüchtigen Wirtes, hat ein enorm unterhaltsames Buch geschrieben. Auf knapp 200 Seiten lernt der Leser mehr über deutsche Geschichte seit der ersten großen Koalition als in irgendwelchen dickleibigen Geschichtswälzern. Er lernt auch, dass das Zusammentreffen von griechischer Lebensfreude und deutscher Zielstrebigkeit großes Zustande bringen kann – etwa die Karlsruher Taverne von Christo und Maria Stefanidis, die 2009 für immer ihre Türen schloss.
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